Meine ersten größeren Firmen waren Reiseveranstalter, und im Jahr 2008 hatte ich auf besondere Weise Vollgas gegeben, als ich mit großem Aufwand fast alle meine Mitbewerber weltweit persönlich besucht habe.
So wurde ich 2008 der am besten vernetzte Reiseveranstalter in meiner Branche.
Daraus sind Vertrauen, Partnerschaften und Freundschaften entstanden, die meine Firmen in der Folge rasch zu Marktführern werden ließen.
Der Erfolg war schön, doch das viele Reisen ohne echte Aufenthalte gefiel mir nicht.
Kaum war ich an einem Ort angekommen und das Meeting war vorüber, musste ich schon wieder weiter.
Ich verbrachte mehr Nächte unterwegs als zuhause, und dennoch sah ich fast nichts auf der Welt außer Flughäfen und Hotels.
Ich verhalf beruflich tausenden Menschen zu schönen Reisen, nur mir selber nicht mehr.
Mehr Meta
Da erinnerte ich mich an meinen Grundsatz, dass das bessere Geschäft jeweils auf der Metaebene liegt.
Das Metabusiness ist das bessere Business
Was bedeutet das in diesem Fall?
Es ist, wie immer, der strukturelle Aufstieg in die Metaebene.
Statt der am besten vernetzte Partner in meiner Branche zu sein, könnte ich ja auch der am besten vernetzende Partner werden.
Oder in anderen Worten: statt aus der Branche herauszuragen, weil ich jeden Partner persönlich kenne, könnte ich ja auch aus der Branche herausragen, weil ich alle anderen miteinander bekannt mache.
Und ganz nebenbei müsste ich dann nicht mehr so viel reisen.
Das war die auslösende Motivation für mich, um die Cyclesummit-Konferenz zu organisieren, den Branchentreff der Radreise-Veranstalter.
Aber es gab noch eine zweite Motivation.
Die Welt retten
Denn ganz nebenbei konnte ich mit der Gaußschen Summenformel auch noch die Welt retten.
Wie das?
Ganz einfach: Sagen wir es gibt 101 Marktteilnehmer, und ich will jeden treffen. Dann muss ich 100 Reisen unternehmen, also zu jedem anderen eine Reise machen.
Wenn nun ein weiterer Marktteilnehmer ebenso gut vernetzt sein will, so muss er noch 99 Reisen unternehmen – denn sich und mich hat er ja schon getroffen.
Und der nächste Partner muss entsprechend 98 Reisen machen, der danach dann nur noch 97 und so weiter.
Damit jeder jeden einmal getroffen hat, müssten also 100+99+98+…3+2+1 Reisen unternommen werden, also (und das ist nun mit der Gaußschen Summenformel leicht zu berechnen) 5050 Reisen.
Wenn aber stattdessen alle Marktteilnehmer zu einem bestimmten Datum an einem bestimmten Ort zusammentreffen und sich alle gleichzeitig kennenlernen, so müssen nur noch 100 Reisen stattfinden.
Bei einer Marktgröße von 101 Teilnehmern spart man also schon 98% der Reisen. Und der Markt, in dem ich mich befand, ist deutlich größer.
Und wo große Effizienz entsteht, da entsteht auch ein großer Wert.
Das war meine zweite Motivation.
Faulheit als Tugend
Doch es gab auch noch eine dritte Motivation, und wenn du aufmerksam bis hierher gelesen hast, dann ahnst du vielleicht schon, womit sie zu tun hat.
Ich sprach nämlich von 101 Marktteilnehmern, aber nur von 100 Reisen zur Konferenz. Fehlt da nicht eine?
Meine dritte Motivation war mein (den vielen Reisen geschuldeter) Ehrgeiz, dass ich selbst die Konferenz zu Fuß erreichen konnte und damit keine eigene Anreise haben würde.
Somit veranstaltete ich den ersten Cyclesummit direkt vor meiner Haustür, und zwar im Konstanzer Konzil.
Für manche ist das Faulheit, für andere ist es das Streben nach Effizienz. Für mich ist beides dasselbe.
Henne, Ei, Risiko
Aber es gab auch noch eine vierte Motivation, und ich habe schon oft über ihr Prinzip geschrieben.
In den meisten Geschäften erstellt A ein Produkt, und B kauft es. Das Produkt wandert also von A zu B, und im Gegenzug wandert das Geld von B zu A.
Das Geld wandert dem Produkt entgegen.
Doch das ist nicht immer so. Bei manchen Geschäften ist die Richtung, in die das Geld wandert, nicht im Voraus bestimmt, sondern davon abhängig, wie es der Unternehmer haben will.
Klingt erstmal seltsam, ist aber so.
Und manchen Fällen gibt es gar kein Produkt, und das Geld wandert dennoch zum Unternehmer. Solche Geschäftsmodelle hatten mich schon immer fasziniert, und ich wollte endlich selbst mal eines davon aufbauen.
Eine Konferenz ist solch ein Geschäftsmodell, denn in der Hauptsache sind die anderen Teilnehmer der Grund für die eigene Teilnahme.
Bei einer Konferenz sind Produkt und Kunden daher dasselbe, und je mehr Kunden man hat, desto besser wird folglich das Produkt.
Die Käufer sind und kaufen das Produkt zugleich. Das rockt!
Wenn eine Konferenz einmal etabliert ist, so entsteht Mehrwert ohne viel Arbeit. Ein wunderbares Geschäft für den Veranstalter.
Dachte ich zumindest.
Doch nachdem ich alle Vorbereitung beendet und die Webseite online hatte, bekam ich eine ordentliche Panik.
Denn es kamen keine Buchungen.
Oder genauer: niemand wollte der erste sein, der bucht. Denn alle wollten zuerst wissen, wer denn noch alles kommen würde.
Ich schwitzte Blut und Wasser und wusste nicht, wie ich dieses Henne-Ei-Problem überwinden konnte.
Die Lösung vom Henne-Ei-Problem ist: du musst ins Risiko!
An dieser Stelle hätte ich aufgeben oder mogeln können. Beides war für mich jedoch keine Option.
Darum dachte ich nach: ich hatte Interessenten, doch die wollten nicht buchen. Sie wollten zuerst Sicherheit.
Wenn ich ihnen dieses Bedürfnis der Sicherheit irgendwie lösen könnte, dann würden sie also buchen.
Genug andere Teilnehmer wären eine Lösung, aber die hatte ich zu Beginn ja noch nicht.
Darum rief ich die 10 wichtigsten potentiellen Teilnehmer an, bot ihnen einen Rabatt von 50%, wenn ich sie schon jetzt als Teilnehmer nennen könnte, und ich versprach ihnen, dass sie jederzeit formlos und ohne Kosten wieder absagen könnten – ich würde sie sogar persönlich daran erinnern es zu tun.
Und das funktionierte. Alle 10 dieser Teilnehmer kamen am Ende tatsächlich, und vor allem kam außer ihnen dann auch die gesamte Branche zusammen. Das Henne-Ei-Problem war gelöst, und der Cyclesummit war etabliert.
Nachdem ich bald feststellen musste, dass wir als Konferenz-Veranstalter zuhause in Konstanz stets auf unprofessionellen Widerstand stießen, ging der Cyclesummit fortan international auf Reisen.
Mittlerweile bewerben sich die Regionen beim Cyclesummit, um ihn kostenpflichtig zu sich zu holen. Voilà.
Keine Motivation ist auch eine Lösung
Nach etwa sechs oder sieben Jahren ließ jedoch meine eigene Motivation nach. Ich hatte meine Radreiseveranstalter bereits verkauft, und die Branche begann mich zu langweilen.
Daher übergab ich immer mehr Verantwortung an mein Team, und die letzten Jahre bin ich auf meiner eigenen Konferenz nichtmal mehr erschienen.
Als ich dieses Jahr damit begann, verschiedene Konferenzveranstalter zu fragen, ob sie mir den Cyclesummit abkaufen würden, da bekam ich aus meinem eigenen Team die Frage, warum ich es denn nicht an mein Team verkaufen würde.
Gefragt, getan.
Den Cyclesummit habe ich daher im Juli 2019 durch ein passgenaues Management-Buyout verkauft, und der 10-te Cyclesummit wird heuer ganz ohne mich, aber mit Teilnehmern aus über 24 Ländern in Fünen in Dänemark stattfinden.