in Gedanken

Warum ich dir dabei helfe, nicht mein Kunde werden zu müssen

Man nennt mich Seriengründer, tatsächlich bin ich eher ein Potentialfinder.

Also jemand, der etwas sieht, was es zwar noch nicht gibt, wohl aber geben könnte.

Also jemand, der einen Konjunktiv erkennt.

Meine Aufgabe ist es dann, diesen Konjunktiv in einen Indikativ zu verwandeln.

Konkret habe ich 11 Firmen gegründet, davon 7 im Tourismus. Eine davon ist Radweg-Reisen, ein Veranstalter von Fahrradreisen, der als 1-Mann-Unternehmen begann und binnen weniger Jahre zum europäischen Marktführer wuchs.

Das Aha-Erlebnis

Noch bevor ich diese, noch bevor ich irgendeine meiner Firmen gegründet hatte, war etwas passiert, was mir die Augen geöffnet hat für eines der so genannten Geheimnisse meines Erfolgs: nämlich die kompromisslose Konzentration auf die Bedürfnisse meiner Kunden. Und die Betonung liegt in diesem Satz übrigens nicht auf den Bedürfnissen, sondern auf der Kompromisslosigkeit.

Damals war ich Student der Mathematik und Philosophie an der Uni Konstanz und verbrachte einen Teil meiner Sommerferien mit einem Aushilfsjob. Ich jobbte als Fahrradmechaniker bei einer Firma, die damals Deutschlands größter Veranstalter von Fahrradreisen war und ihre Zentrale in Konstanz hatte.

Und während ich dort mit ölverschmierten Fingern Lager und Schaltungen von Fahrrädern reparierte, hörte ich zufällig, wie der Geschäftsführer und Inhaber dieser Firma laut schnaubend durch den Hof lief und vor Ärger brüllte.

Ihm war eben aufgefallen, dass ein Kunde eine seiner Fahrradreisen um den Bodensee gebucht hatte. Darauf bekam jener mit der Buchungsbestätigung auch die Reiseunterlagen zugesendet. Doch statt nun die darin enthaltene Rechnung für die Anzahlung des Reisepreises zu begleichen, hatte der Kunde die Reise sofort wieder storniert.

Und der Geschäftsführer war nun wütend, weil der Kunde nur die Reiseunterlagen erhaschen wollte, um dann ohne dafür zu bezahlen mit dem darin enthaltenen Know-How seine Radreise rund um den Bodensee in Eigenregie zu planen und durchzuführen.

Der Kunde hatte also ein Bedürfnis, das mit dem Produkt der Firma nur entfernt zu tun hatte.

Die Firma fühlte sich nun betrogen und beraubt. Und sie reagierte so darauf, dass ihr dies in Zukunft nicht mehr passieren konnte: Der Geschäftsführer beschloss die Reiseunterlagen künftig erst dann an seine Kunden zu versenden, wenn die Stornokosten für die gebuchten Reisen bereits hoch genug seien, dass es sich nicht lohne, sie für die Reiseunterlagen zu bezahlen.

Ich stand damals mit meinen ölverschmierten Händen neben ihm im Hof, und mir war sofort unwohl bei dem Gedanken, dass dieser Mann alle seine Kunden als Feinde betrachtete, vor denen er sein Produkt schützen wollte.

Das ist falsch

Noch heute kann ich mich genau daran erinnern, wie ich dachte: „Das ist falsch, ich würde das ganz anders machen.“

Zwar wusste ich damals noch nicht, dass ich selbst einmal Unternehmer werden würde. Doch als es 2001 soweit war, da erinnerte ich mich noch genau an diesen Moment. Und ich überlegte, was denn das größtmögliche Gegenteil sei von diesem Misstrauen, das man der eigenen Zielgruppe entgegenbringen kann.

Und genau hier hakte ich ein: ich tat das Gegenteil.

Statt für mein Startup eine Webseite mit dem Katalog aller unserer pauschalen Bodensee-Radreisen zu erstellen, baute ich eine Webseite, auf der nur die Destination Bodensee-Radweg beschrieben stand. Ich erstellte sozusagen einen digitalen und kostenlosen Reiseführer für Radler am Bodensee. Das Verzeichnis aller Hotels, aller Jugendherbergen, aller Campingsplätze und Ferienwohnungen, die Landkarten, die Tipps und Tricks und einfach alles, was man wissen musste, um eine selbst-organisierte Radreise um den Bodensee zu unternehmen.

Ich tat also alles, um dem Besucher meiner Webseite dabei zu helfen, nicht mein Kunde werden zu müssen.

Ganz bestimmt verlor ich damit den einen oder anderen Kunden, der nach einer Pauschalreise gesucht hatte und schließlich lernte, wie er günstiger, flexibler und individueller um den Bodensee radeln konnte ohne etwas von mir zu kaufen.

Die Befürchtung vom wütenden Geschäftsführer trat also gewiss ein. Dieser eine Kunde von damals, den hätte ich so nie überzeugt mein Produkt zu kaufen.

Tatsächlich aber ist die Zahl der Individualtouristen am Bodensee-Radweg etwa 20 Mal größer als die der Pauschaltouristen. Ich zielte mit meiner Webseite also auf eine 20 Mal größere Zielgruppe. Und meine Seite war auch in kürzester Zeit weit über 20 Mal so frequentiert, wie die der Konkurrenz.

Während ich also einzelne Kunden verloren haben mag, sind etliche Hunderttausend neuer Kunden in derselben Zeit so erst auf mein Angebot aufmerksam geworden. Und viele von ihnen haben meine Reisen gebucht. Sehr viele übrigens.

Genau genommen sogar so viele, dass ich bereits wenige Jahre nach der Firmengründung meines 1-Mann-Unternehmens das Bürogebäude von meinem ehemaligen Konkurrenten übernommen hatte. Und viele der Mitarbeiter. Und fast alle Vertriebspartner.

Bald war meine Firma nicht nur größer geworden als seine, sondern sogar der größte Radreiseveranstalter Europas.

Und warum genau?

Weil ich mich darauf fokussierte, die Bedürfnisse meiner Zielgruppe erkennen und erfüllen, statt auf die Verteidigung meiner Produkte.